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Halbplayback, Live und Vollplayback

unauffälliges Tablet

Diese Begriffe sind nicht jedem bekannt, die Meisten haben sie aber schon mal gehört. Wo besteht der Unterschied und zu welchem Zweck wird welche Technik benutzt?

Die Band SchlagerCafé

Wie ihr vielleicht wisst, trete ich nicht nur als Solist auf, sondern singe auch in einer Band. SchlagerCafé heißt die Band und wir können in kleiner Besetzung auftreten ab zwei Personen oder in größerer mit fünf Musikern. Kleine Besetzung wäre ein Keyboarder und ein Sänger oder eine Sängerin. Das Keyboard ist ein Arranger-Keyboard, was bedeutet, dass Schlagzeug und Bass vom Keyboard übernommen werden. In der großen Besetzung kommen noch E-Gitarre dazu mit Chorgesang, Saxophon und ein zweiter Sänger bzw. Sängerin. Der Gesang ist immer 100%ig Live. Meistens treten wir zu viert auf, also Keyboard, Gitarre mit Chorgesang, eine Sängerin und ich.

Der große Vorteil bei einer Band ist, dass wir flexibel auf das Publikum reagieren können. Merken wir, dass ein Lied gerade besonders gut ankommt, dann können wir per Blickkontakt oder sonstigen Zeichen den anderen Musikern signalisieren, dass ein Refrain nochmal gespielt wird, oder wir das Publikum singen lassen, oder selbst A-Cappella singen, um danach wieder mit allen Instrumenten einzusteigen. Oder wenn ein Lied nicht so gut ankommt, früher als geplant zum Schluss zu kommen.

Mit SchlagerCafé beim Kreismusikfest Blaustein - Foto: René Sparbrod
Solo

Wenn ich solo auftrete, dann arbeite ich mit Halbplaybacks. Entweder habe ich einen USB-Stick mit mp3s dabei, die von einem DJ oder Techniker abgespielt werden, oder ich steuere per Tablet die Songs selbst. Dazu habe ich eine Playlist vorbereitet in der Reihenfolge, in der ich denke, dass sie beim Publikum gut ankommt. Die Songs sind teilweise mit Chorgesang, meistens aber ohne. Was aber bei allen fehlt, ist die Lead-Stimme, die wird nämlich von mir gesungen, 100%ig Live. Jeder Fehler wird vom Publikum gehört, jeder Textversprecher, jedes Räuspern, jedes Bäuerchen, jeder Patzer. Aber: dafür ist es LIVE, also 100%ig ECHT!!!

Das Tablet ist kaum zu sehen
Hier für euch markiert
Fernsehen

Vor allem im Fernsehen wird oftmals mit Vollplaybacks gearbeitet. Das bedeutet, es ist gar nichts mehr live. Der Sänger bekommt in den meisten Fällen dennoch ein Mikrofon und tut so, als würde er wirklich singen. Ich denke gerne an die ZDF-Hitparade mit Dieter Thomas Heck und später mit Uwe Hübner. Da wurde zwar die Musik eingespielt (Halbplayback also), aber der Gesang war immer live. Und das war in den 70ern. Wieso geht das heute nicht? Damals mussten die Sänger sogar noch darauf achten, nicht über das Mikrofon-Kabel zu stolpern, heute gibt es Funk-Mikros ohne Kabel und ganz allgemein gab es in den letzten 50 Jahren enorme Fortschritte in der Technik. Oder war das Personal beim Fernsehen früher besser als heute?

Vollplayback bei Live-Auftritten

Tatsächlich gibt es Künstler, die auch bei Live-Auftritten mit solchen Vollplaybacks arbeiten. Aber können diese Auftritte dann noch als “Live” bezeichnet werden oder wird das Publikum veräppelt? Der Vorteil für den Interpreten ist, dass es keine Texthänger gibt, er kann tanzen und klatschen und animieren und muss nicht an seiner Fitness arbeiten, weil das übermäßige Atmen nicht über das Mikrofon übertragen wird. Aber wehe, wenn nach dem Lied eine kleine Moderation von ihm gehalten wird, die dann tatsächlich live ist, auf einmal wird geatmet als stünde man kurz vor einem Herzinfarkt. Vollplayback entlarvt. Ein weiterer Nachteil beim Vollplayback: Kommt man dem Publikum sehr nahe, merkt es, dass nicht live gesungen wird. Der Künstler kann auch nicht improvisieren oder flexibel auf das Publikum eingehen. Ich lasse sehr gerne auch mal das Publikum oder einzelne Gäste singen, halte ihnen dann das Mikro vor die Nase und sie freuen sich, dass sie nun ihr Bestes geben können. Das ist immer ein Heidenspaß für sie selbst, für mich, und auch für den Rest des Publikums. Dabei habe ich schon so manches Talent entdeckt, das eigentlich selbst auf die Bühne sollte.

Helene Fischer und Britney Spears

Ich bin ein großer Fan von Helene Fischer. Was sie da treibt auf der Bühne und dazu tatsächlich live singt – ganz großer Respekt. Bei einem Konzert von Britney Spears vor etwa zwanzig Jahren habe ich erlebt, dass sie auch viel Akrobatik machte und live sang, aber in der Presse war am nächsten Tag zu lesen, dass sie nicht singen könne und die Töne nicht getroffen hätte, nur weil es nicht klang wie auf CD. Schade, dass das Publikum mancherorts schon so auf Perfektion getrimmt ist, durch ständige Vollplayback-Berieselung.

Ebenso meinen Respekt bekommen die Künstler, die wissen, dass sie nicht die besten Sänger sind, und trotzdem live singen. Danke an sie für die Wertschätzung des Begriffes LIVE!!!

Was denkt ihr darüber? Sollte im Fernsehen mehr live gesungen oder sogar ganz auf Vollplayback verzichtet werden?